Der Elefant im Raum

Anregungen zur Diskussion über die Umbenennung des Fakultätsnamens.

Wir alle sind als Fakultätsangehörige
mit der Juristenfakultät verbunden.
Es ist kein Geheimnis, dass über
den Namen unserer Fakultät auch
diskutiert wird: Schließt der traditio-
nelle Name nicht-männliche Perso-
nen aus und ist deshalb nicht mehr
zeitgerecht?
Allerdings diskutieren wir bislang
nicht miteinander. Der Name ist
unser Elefant im Raum: Hinter vor-
gehaltener Hand wird einerseits
Kritik geübt, andererseits besteht
Einverständnis, ohne dass jemals
Argumente ausgetauscht wurden.
Mit den nachfolgenden Beiträgen soll
ein Anfang gemacht werden. Prof.
in Elisa Hoven spricht sich für eine
Umbenennung aus, studentische
Mitglieder des RCDS dagegen. Allen
gebührt Dank für die Übernahme
dieser Aufgabe. Gleichzeitig ist es
bemerkenswert, dass für die Vertei-
digung der „Juristenfakultät“ ein Mit-
glied aus dem Professorium nicht zu
gewinnen war. Statt einer aufgeheiz-
ten Debatte geht es aber vor allem
um Information: Welche Argumente
sprechen eigentlich für die eine oder
andere Position? Nur auf Grundlage
von Informationen können wir uns
eine eigene Meinung bilden und die-
se in der Diskussion auch behaupten.
Ich wünsche Ihnen viele Anregungen
beim Lesen!


Almuth Buschmann
Gleichstellungsbeauftragte der Juristenfakultät

Prof.in Elisa Hoven: Als ich 2002
mein Studium begann, wurden wir
in unserer ersten Vorlesung ganz
selbstverständlich als neue „Stu-
denten“ begrüßt. Damals fühlte ich
mich angesprochen. Doch Sprache
ändert sich und auch ihre Wahr-
nehmung. Wir wissen mittlerweile
um die Bedeutung von Sprache für
die Gleichstellung der Geschlechter.
Eine Vielzahl von Studien belegt, dass
das sogenannte „generische Mas-
kulinum“ überwiegend männliche
Assoziationen weckt. Bei dem Wort
„Studenten“ denken über 60 Prozent
an Männer.1 Heute wäre ich irritiert,
wenn auf einer Tagung nur die „Pro-
fessoren“ begrüßt würden – ich fühle
mich tatsächlich nicht mehr „mit
gemeint“.


Und wie ist es mit der Leipziger „Ju-
ristenfakultät“? Sie hieß schließlich
schon immer so. Ihre Bezeichnung
ist kein Statement, keine Ablehnung
gendergerechter Sprache, sondern
Tradition. Doch die Grenze zwischen
Tradition und Rückständigkeit ist
schmal. Als die Universität Leipzig
1409 gegründet wurde, war Frauen
der Zugang zu einem Studium ver-
wehrt. Erst im Jahr 1906 wurde es
den ersten Frauen gestattet, sich zu
immatrikulieren. Die Bezeichnung
als „Juristenfakultät“ stammt also
aus einer Zeit, in der Frauen eben
nicht „mitgemeint“, sondern ganz
ausdrücklich ausgeschlossen waren.
Heute ist das Bild ein anderes. Unter
den 24 Professor:innen befinden
sich 5 Frauen (Tendenz steigend!),
von den wissenschaftlichen Mitar-
beiter:innen sind etwa 40 Prozent
weiblich und im Jahr 2021 studieren
1753 Frauen in Leipzig Rechtswissen-
schaft – das sind fast 58 Prozent.


Die Verhältnisse haben sich gewan-
delt – weshalb sollte sich das nicht im
Namen unserer Fakultät abbilden?
Eine moderne Universität – und das
ist Leipzig ganz ohne Frage – muss
mit der Zeit gehen und nicht an über-
holten Begrifflichkeiten festhalten.
Als ich von den Plänen zur Umbenen-
nung der Fakultät hörte, dachte ich
daher, das Ganze sei ein Selbstläufer.
Dann überraschte mich der doch er-
hebliche Gegenwind. Dass man die
Umbenennung nicht als dringlichs-
tes Anliegen der Fakultät ansehen
würde – gut. Aber wieso sollte man
gegen eine Bezeichnung als „Juris-
tische Fakultät“ sein, die doch völlig
gebräuchlich ist?


Immer wieder wird gesagt, dass un-
ser Name ein „Alleinstellungsmerk-
mal“ der Fakultät sei. Das überzeugt
mich nicht. Dass man als einzige
Fakultät an einer tradierten Bezeich-
nung festhält, mag uns von anderen
unterscheiden – aber nicht in einem
guten Sinne. Eine Fakultät sollte sich
durch Qualität und Innovation her-
vorheben, nicht durch antiquierte
Sprache.


Ein weiterer Einwand sind die Kos-
ten, die mit einer Umbenennung
verbunden wären (für neue Schilder
oder ein neues Design). Könnte man
die Gelder nicht sinnvoller in Pro-
jekte investieren, die Frauen – zum
Beispiel Müttern mit Kindern – das
Studium erleichtern? Doch in dieser
Weise gleichstellungspolitische Ziele
gegeneinander auszuspielen wäre
nicht fair. Es lässt sich fast zu jeder
Maßnahme etwas denken, das noch
wichtiger ist. Im Übrigen wurde bis-
lang noch nicht einmal ein Kosten-
plan erstellt, einer Berufung darauf
fehlte also jede Basis. Zudem lassen
sich verschiedene Wege denken,
um die Kosten gering zu halten;
etwa durch einen allmählichen Aus-
tausch im Rahmen eh erforderlicher
Modernisierungsmaßnahmen.


Tatsächlich dürfte es in der Diskus-
sion vor allem um Symbolik gehen.
Nicht ohne Grund ist die genderge-
rechte Sprache eines der Reizthemen
unserer Zeit. Ich leite ein Forschungs-
projekt zu digitalem Hass – und
zu kaum einem Thema (Migration
ausgenommen) finden wir so viele
wütende und aggressive Beiträge. Für
die Ablehnung sprachlicher Verän-
derungen gibt es gute und schlechteGründe.

Ein schlechter Grund ist die
Angst vor dem Verlust der jahrhun-
dertelangen Vormachtstellung des
männlichen Geschlechts. Das wird
kaum offen ausgesprochen, mag aber
mitschwingen. Die Welt verändert
sich, daran wird auch ein Festhalten
an Begriffen nichts ändern.


Nachvollziehbar ist hingegen die
Sorge vor einem Verlust sprachlicher
Schönheit und Präzision. Diese Sorge
teile ich. Ich habe mich, nachdem ich
mit vielen Studierenden gesprochen
habe, letztlich gegen ein genderge-
recht formuliertes Examensskript
entschieden. Formulierungen wie
„Bestraft wird der:diejenige Täter:in,
der:die eine:n andere:n…“ erschwe-
ren das Verständnis – und in der Ab-
wägung geht dieser Punkt für mich
vor. Vielleicht ist das in ein paar
Jahren anders, wenn gendergerech-
te Sprache endgültig zur Normalität
geworden ist. Dann werde ich mein
Skript ändern. Aber: Bei der Umbe-
nennung der Fakultät spielen diese
Fragen keine Rolle und sollten auch
nicht mit allgemeinen Einwänden ge-
gen das * oder das Binnen-I vermengt
werden. Denn die Bezeichnung als
„Juristische Fakultät“ ist sprachlich
völlig unangreifbar.


Ein weiterer Grund für die Ablehnung
mag ein allgemeines Unbehagen dar-
über sein, dass Historisches aus heu-
tiger Perspektive bewertet, abgelehnt
und ersetzt wird – ohne dem Kontext
der damaligen Zeit Rechnung zu
tragen. Und natürlich wird Kants
Metaphysik der Sitten nicht dadurch
weniger lesenswert, dass sein Bild
von Frauen herablassend und chauvi-
nistisch war. Aber das bedeutet nicht,
dass Altes unreflektiert übernom-
men werden sollte. Einige Werke und
Texte irritieren heute und müssen –
nicht verbannt!, wohl aber – kritisch
reflektiert werden. Nichts anderes
gilt für Fakultätsbezeichnungen.
Das wohl gewichtigste Argument
gegen die Umbenennung liefert die
Befragung der Studierenden und
Fakultätsmitglieder im vergangenen
Sommer. 42 Prozent stimmten für
eine Umbenennung, 58 Prozent da-
gegen. Damit scheint die Forderung
erst einmal vom Tisch zu sein; der
Fakultätsrat hat sich mehrheitlich
dagegen ausgesprochen. Ich möchte
das vorsichtig in Frage stellen. Die
Frage, ob unsere Fakultät sich einen
modernen Namen geben möchte,
der Personen aller Geschlechter auch
sprachlich einbezieht, ist keine, über
die Mehrheiten entscheiden sollten.
Es genügt, wenn sich eine nennens-
werte Anzahl von Personen – und
das sind immerhin über 40 Prozent!
– durch die Bezeichnung unserer Fa-
kultät nicht angesprochen fühlen.


Ich hoffe daher, dass die Diskussion
weiter geht. Im Jahr 2021 sollte eine
Fakultät in einer so modernen Stadt
wie Leipzig keinen so altbackenen
Namen tragen.


Elisa Hoven ist Professorin für deutsches und
ausländisches Strafrecht, Strafprozessrecht,
Wirtschafts- und Medienstrafrecht . Aktuell führt
sie Drittmittelprojekte zu „Hate Speech im Inter-
net“ sowie zur Reform des Strafzumessungsrechts
durch . Seit Juni 2020 ist Elisa Hoven Richterin am
Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen .

RCDS Leipzig: Der RCDS spricht
sich gegen die Umbenennung der
Juristenfakultät aus. Der Name
„Juristenfakultät“ ist einzigartig in
Deutschland und eines der Allein-
stellungsmerkmale unserer Fakul-
tät. Darüber hinaus trägt sie seit
ihrer Gründung im 15. Jahrhundert
(fast durchgängig) diesen Namen.
Ein Brechen mit dieser Tradition er-
scheint besonders im Rahmen einer
Kosten-Nutzen-Analyse für nicht
ergiebig.


Nicht nur, dass die durch die Umbe-
nennung verursachten Kosten viel zu
hoch sind: Die Umbenennung selbst
führt auch nicht zu dem von ihren
Befürwortern angestrebten Ziel der
Gleichstellung zwischen den Ge-
schlechtern. Das oft ins Feld geführte
Argument, der Name „Juristenfakul-
tät“ erfasse nicht alle Geschlechter
und beziehe sich lediglich auf das
männliche Geschlecht beruht auf
einen Irrtum. Denn bei genauerer
– auch sprachwissenschaftlicher –
Betrachtung handelt es sich bei der
Verwendung der aktuellen Bezeich-
nung um das generische Maskulin,
welches eben nicht dem natürlichen
Sexus einer Person entspricht, son-
dern lediglich ein grammatikalisches
Charakteristikum darstellt. Das Ge-
nus kann also nicht mit dem Sexus
gleichgestellt werden, sodass es auch
keine natürlichen Geschlechter er-
fassen oder ausschließen kann. Dem
Argument, der Name „Juristenfakul-
tät“ erfasse nur die männlichen An-
gehörigen unserer Fakultät, kann
also nicht gefolgt werden.


Darüber hinaus muss festgestellt
werden, dass wir mit dem Ändern
des Namens unserer Fakultät eine
historisch gewachsene Institution
verlieren würden, die uns auch und
besonders in der heutigen Zeit nütz-
lich ist. Denn wir leben in einer Zeit,
in der Abiturienten bei der Wahl ihrer
zukünftigen Hochschule aufgrund
steigender Mobilität deutschlandweit
nach der optimalen persönlichen
Option suchen. Dass sich unsere Fa-
kultät allein aufgrund ihrer Historie
– die eng mit dem Namen „Juristenfa-
kultät“ verbunden ist – schon eine Art
Marke bilden konnte, ist ein nicht zu
unterschätzendes Argument für den
( juristischen) Ausbildungsstandort
Leipzig. Hinzu kommt, dass Absol-
venten unserer Fakultät auch nach
dem Studium mit ihrem Abschluss
an der Juristenfakultät von dem Be-
kanntheitsgrad profitieren, der aus
dem Alleinstellungsmerkmal des Na-
mens hervorgeht.


Aus den genannten Gründen und ins-
besondere vor dem Hintergrund der
damit verbundenen Kosten lehnt der
RCDS die Umbenennung der Juris-
tenfakultät ab.


Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten
(RCDS) ist eine rechtlich parteiunabhängige
studentische Interessenvertretung, die in Werte-
verständnis und konservativer Ausrichtung den
Unionsparteien nahesteht . Seit 1991 besteht der
Zusammenschluss auch an der Universität Leip-
zig, um studentische Anliegen zu vertreten und
Dienstleistungen anzubieten .


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